Wie der Wald sich auf den Herbst vorbereitet
1989 klagte eine 77-jährige Darmstädterin gegen die Bezeichnung „Altweibersommer“. Der Begriff diskriminiere sie als Frau und wegen ihres Alters. Das zuständige Landgericht war da anderer Meinung, denn der Name stammt aus einer Zeit, in der die beleidigte Klägerin noch gar nicht geboren war. Anfang des 19. Jahrhunderts teilte man das Jahr noch in eine Winter- und eine Sommerhälfte. Damals wurde der Frühling „Junger Weibersommer“ genannt, und der Herbst hieß „Alter Weibersommer“. Damit verbinden wir seitdem die letzten warmen Tage – ein Wärmerückfall, der uns zwischen Mitte September und Anfang Oktober noch ein paar strahlend sonnige Stunden beschert. Der Grund dafür ist ein Festlandhoch über Osteuropa, das trockene Luft nach Mitteleuropa bringt. Wenn dann ein lauer Wind weht, lassen sich im Wald viele kleine Kreuzspinnen an ihren zarten Fäden durch die Luft pusten. Die Spinnen haben unmittelbar mit der Namensgebung zu tun, denn „weiben“ ist ein altdeutscher Ausdruck für das Knüpfen von Spinnweben. In klaren September-Nächten kühlt es sich schon stark ab, so dass die vom Tau benetzten Kunstwerke in der Morgensonne deutlich zu erkennen sind.
„Die glitzernden Fäden erinnern an die langen, silbergrauen Haare älterer Frauen“, erklärt Forstamtsrat Burkhard von List, der sich bescheidenerweise nur „Förster“ nennt. Für ihn, wie auch für viele Landwirte und Jäger repräsentiert der sich ankündigende Herbst die „Erntezeit“: „Nicht nur Getreide, Gemüse oder Obst wird in dieser Zeit eingefahren, auch Rehe und Rotwild werden vermehrt erlegt.“ Ebenfalls „erlegt“ werden um den Oktober herum die von ihm gekennzeichneten Bäume – vor allem Kiefern, aber auch Fichten und Lärchen, Eichen und Buchen. Sein Wirkungsgebiet „Hohes Holz“ ist ein Naturschutzgebiet der niedersächsischen Gemeinde Radbruch und der Stadt Winsen. Es umfasst 252 Hektar, von dem sich 245,5 Hektar im Landkreis Lüneburg und 6,5 Hektar im Landkreis Harburg befinden.
Wenn sich die Blätter färben, haben Förster von List und seine Mitarbeiter entsprechend viel zu tun. Wie kommt es eigentlich zum Farbenspiel? „Die gelbe und rote Färbung der Blätter entsteht, wenn im Herbst das Chlorophyll für das Grün abgebaut wird und andere Farbpigmente in den Blättern zum Vorschein kommen.“ Wissenschaftler der Universität Freiburg sind davon überzeugt, dass diese Blattfarbstoffe einen Baum vor zu viel Sonne schützen. Eduard Mörike hat 1827 den Goldenen Herbst in seinem Gedicht beschrieben: Im Nebel ruhet noch die Welt; noch träumen Wald und Wiesen. Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, herbstkräftig die gedämpfte Welt, in warmem Golde fließen.